So entstand Casa Berti


Wie kommt ein Toskana-Ferienhaus an deutsche Vermieter?

Die wechselvolle Geschichte von Casa Berti im Laufe von drei Jahrhunderten

Schon mancher Gast fragte sich: Warum heißt das Haus Casa Berti? Wie alt ist es wohl? Und wie kam es, dass das Haus jetzt deutsche Besitzer und somit die Gäste deutsche Vermieter bekommen haben? Der größte Teil der Antwort ist eine alte Geschichte.

1 Haus, 1 Bauer, 1 Kuh

Vor einigen Jahren kam einmal ein recht betagter Mann den Maultierpfad heraufgestiegen. Er freute sich, das Haus nach langer Zeit wiederzusehen, denn nun sei er ja schon 85 Jahre alt und könne nicht mehr so einfach in die Berge wandern. Als er noch jung war - also etwa in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts - sei er aber oft nach Greppolungo gelaufen. Und er erinnerte sich deutlich an das Bauernhaus, den alleinstehenden Bauern, und an die eine Kuh, die er besaß.

Das sind die ältesten Zeugnisse, die wir von dem Haus haben - sieht man von alten Landkarten ab. Klar ist jedenfalls, dass es das Haus schon lange vor dem Bauern mit der Kuh gegeben hat. Weil es deutlich zweiteilig ist, ein kleinerer (und älterer) oberer Teil, unten dann der etwas jüngere Anbau, der aber ebenfalls schon eine sehr alte Substanz hat, kann man annehmen, dass das Haus mindestens zweihundert Jahre alt ist, wahrscheinlich aber noch deutlich älter ist. Der Weg von Greppolungo ins Tal gehört zum historischen Wegenetz der Via Francigena; weiter unten konnte man als Pilger in der jetzt verfallenen Kirche San Martino des Kloster Gello (vermutlich aus dem 10. Jahrhundert) übernachten.

Zu dieser Zeit war die Ortschaft Greppolungo vermutlich z. T. noch als spätantikes römisches Castell anzusprechen. Je mehr sie aber ihren Burg-Status verlor und sich zu einer - bis auf die Lage - ungeschützten Ansiedlung verwandelte, mit desto höherer Wahrscheinlichkeit ist der Bau von kleinen landwirtschaftlichen Gebäuden außerhalb geschlossener Ortschaften. Diese Gebäude waren zugleich Ställe (unten) und Wohngebäude.

Eine Ruine im verwilderten Olivenhain

Als wir 1987 erstmals in die Gegend kamen, war das Haus bereits dicht davor, eine Ruine zu werden. Dicht eingewachsen in üppig wuchernde Brombeer-Dornen, war es schwer zugänglich. Wir fragten uns, wer wohl der Besitzer dieses verlassenen Hauses sein könnte. Irgendwann Ende der 80er Jahre trieb uns die Neugier zum Kataster-Amt nach Lucca, und wir fanden heraus: die aktuelle Besitzerin ist eine Frau Berti, verwitwet. Seither hieß das Haus für uns "Casa Berti". Dann kehrte noch einmal Leben in die Ruine zurück: Ein wandernder Schäfer mit dem schönen Namen Serafino nutzte den unteren Teil des Hause über einige Jahre als provisorischen Schafstall. Seine Schafe erhielten üppiges Zusatzfutter in Form von trocken gewordenen Brot, das Serafino säckeweise von Bäckereien geschenkt bekam. Leider interessierten sich nicht nur die Schafe, sondern auch örtlich ansässige Nagetiere für diese Speise und vermehrten sich kräftig. In der Folge glaubten sie, Casa Berti gehöre ihnen. Wir haben Jahre gebraucht, um den Nagern klar zu machen, dass sie in diesem Haus nichts zu suchen hatten und sie wieder das entbehrungsreiche Leben in der freien Natur führen mussten.

Nicht mehr viel Zeit für die Rettung

Serafinos pastorale Zwischennutzung endete mit einer regenreichen Nacht im Jahr 1999, in der die Mauer der talseitige Hausecke so stark durchfeuchtet wurde, dass sie zusammenbrach. Das damals schon sehr lückenhafte Dach stürzte weiter ein und erschlug ein Schaf. Danach fiel das Haus wieder in einen Dornröschenschlaf, von dem man allerdings annehmen konnte, dass er keinesfalls 100 Jahre dauern würde, denn zunehmend löste sich das Haus auf. Aber damals hatten wir schon die nun aktuellen Besitzer der Ruine ausfindig gemacht. Nördlich von Mailand wohnten die Grundstückseigentümer, und der Padrone seiner vielköpfigen Familie gab sich bis dahin dem Glauben hin, dass er dort, zusammen mit seinen Kindern, den Lebensabend verbringen würde. Irgendwie haben ihm dann wohl die schon erwachsenen Kinder deutlich gemacht, dass diese Vorstellung reine Illusion war. Angesichts des sich verstärkenden Verfalls gab es nur noch eines: Verkaufen!

Neuanfang mit fast nichts

Wie schön, dass die Grundstückspreise in der Gegend gestiegen waren und es auch einen Interessenten gab - nämlich den Autor dieses Artikels. Die Verhandlungen zogen sich einige Zeit hin, doch Anfang 2002 war es so weit: Der noch in Lire verhandelte Kaufpreis wurde in Euro ausgezahlt und die Ruine gehörte mir. Es gab kein richtiges Dach mehr, keine Wasserversorgung, keinen Strom, keine Straße. "Was willst du mit diesem finsteren Gemäuer!?" fragte mich ein Freund, der die Gegebenheiten kannte.

Tatsächlich hat dann eine kleine Baucrew mehr als zehn Jahre lang an Casa Berti gearbeitet. Der Wasseranschluss erwies sich als realtiv einfach, weil die in den 1940er Jahren gebaute Hauptwasserleitung nach Greppolungo direkt an Casa Berti vorbeiführt. Strom zu bekommen, war eher eine verwaltungsmäßig aufwändige Prozedur. Die Seilbahn wurde unter Zurhilfenahme von Fachliteratur, den Resten der noch im Kopf vorhandenen Schul-Physik und der vielfältigen Kompetenz von Freunden aus dem Bereich Elektrotechnik und Maschinenbau realisiert. Auf der Seilbahn ist mehr oder weniger das ganze Haus von der Straße nach oben gefahren - rund 100.000 kg Steine, Ziegel, Mörtel, Leitungen etc. Im Jahr 2006 wurde das Dach neu gedeckt, und ab 2010 konnte man schon wieder provisorisch in dem Gebäude übernachten. Wenige Jahre später erfreuten sich dann schon die ersten Gäste an dem damals noch etwas rudimentär eingerichtetem Haus, in dem man das Leben so schön genießen kann.

Es ist noch nicht alles getan

Ist Casa Berti nun fertig? Wahrscheinlich nicht! Denn inzwischen werden die ersten Reparaturarbeiten fällig. Kleine bauliche Defizite, mit denen man erstmal gut leben konnte, werden nach und nach beseitigt und durch solidere Lösungen ersetzt. Die im Oktober 2023 hinzugekommene Luft-Luft-Wärmepumpe erhöht den Komfort noch deutlich, aber natürlich stellt sich jetzt die Frage, ob nicht eine Solaranlage das Gebot der Stunde ist. Dies bezieht auch die Warmwasserversorgung mit ein. Aber auch der ziemlich nachlässig behandelte Olivenhain und die Ölgewinnung stellen Ansprüche. Kurz, mit Casa Berti werden wir noch viel Arbeit haben. Aber dafür ist Casa Berti ja (auch) da!